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Ein Gang durch Oltens Geschichte
Olten wird wie viele andere Schweizer Kleinstädte verhältnismässig spät urkundlich erwähnt. Dabei sind z. B. jungsteinzeitliche Funde auf Oltner Gebiet sehr zahlreich, auch ist durch Grabungen längst der Nachweis erbracht worden, dass unsere Stadt schon zur Römerzeit ein befestigter Brückenkopf an der Aare gewesen sein muss. Während also archäologische Befunde belegen, dass Olten ein uralter Siedlungsraum ist, wird der Name Olten erst im beginnenden dreizehnten Jahrhundert aktenkundig.
Erste Erwähnung
In einer Urkunde des Bischofs Diethelm von Konstanz tritt im Jahre 1201 mit anderen Zeugen auch der Zofinger Chorherr Oulricus de Oltun auf. Dieser Ulrich von Olten gilt als der erste namentlich erwähnte Vertreter des Rittergeschlechtes derer von Olten-Hagberg, das bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts hinauf eine mindestens lokalgeschichtlich bedeutende Rolle gespielt hat. Der letzte, bereits verbürgerlichte Vertreter dieses Geschlechtes, Hans, „der Krämer“ von Olten, hat übrigens im frühen fünfzehnten Jahrhundert der St. Martinskirche zu Olten hundertneunzig rheinische Gulden vergabt und damit den Grundstein gelegt zur Errichtung einer Kaplanei Unserer Lieben Frau.
Die erste Urkunde, in der Olten als Stadt erwähnt wird, datiert sogar erst aus dem Jahre 1265. In diesem Jahr wird Graf Ludwig von Frohburg von Erzbischof Heinrich von Basel mit den „Schlössern“ Waldenburg und Olten belehnt. Man geht in der Geschichtsschreibung allerdings davon aus, dass das Städtchen Olten von den Frohburgern gegründet worden ist und dass es dann via die Grafen von Frohburg an den Bischof von Basel gekommen sei. Dieser habe dann aber, wie das zu jener Zeit durchaus üblich war, die Frohburger wiederum mit dem Städtchen belehnt.
Die „Nabelschnur“ der Stadt
Eine Urkunde aus dem Jahre 1295 schliesslich macht deutlich, was Olten zu dieser Zeit überhaupt erst interessant gemacht hat: Die Brücke über die Aare. Tatsächlich nämlich gab es damals zwischen Aarau und dem später im Guglerkrieg zerstörten Frohburgerstädtchen Fridau (bei Fulenbach) nur gerade in Olten eine Brücke über die Aare. Diese Brücke ist denn auch, wenn man so sagen will, über viele Jahrhunderte hinweg die „Nabelschnur“, die das Städtchen wirtschaftlich am Leben erhält.
Diese jahrhundertelange Abhängigkeit vom Transit hat natürlich das Leben der Stadt ganz intensiv geprägt. So geben zum Beispiel die Vertreter der wichtigsten verkehrsabhängigen Gewerbe, die Wirte, Schmiede, Wagner usw. bis weit über das Mittelalter hinaus in Olten den Ton an. Ihnen gehören die grössten Häuser, die wichtigsten Liegenschaften. Sie stellen die ersten Schultheissen, später die Statthalter.
Olten, regionales Zentrum
Im Jahre 1395 gewährte Herzog Leopold von Habsburg Olten zum Dank für die ihm erwiesene treue Gefolgschaft im Sempacherkrieg einen Wochenmarkt. Er machte die Stadt damit auch zu einem bescheidenen regionalen Zentrum.
Die Abhängigkeit vom Markt und vom Transit erweist sich in der Folge als relativ schmale Erwerbsbasis. Sie hat aber offensichtlich die Eigeninitiative der Bürger gefördert, und sie hat die Oltner anscheinend schon immer auch gezwungen, offen zu bleiben für neue Ideen und wirschaftliche Entwicklungen, um es mit einem heute gängigen Begriff auszudrücken, innovativ zu sein. Was Wunder also, dass man den Oltnern auf diesem Gebiet gerne besonderes Gespür und aussergewöhnliche Tüchtigkeit nachsagte.
Als frühe Beispiele dieses Vorwärtsdenkens sind etwa die Urbarmachung des „Gheid“ durch die 1536 im Westen der Stadt realisierte Anlage eines durchdachten, vom Gheidgraben mit Dünnernwasser gespeisten, feinverästelten Systems von Bewässerungsgräben und der auf Betreiben und Kosten der Oltner Bürgerschaft 1592 begonnene Bau des neuen Kauf- und Kornhauses der Stadt zu betrachten.
Der „Oltnergeist“
Die mit dieser Offenheit für neue, auch politische Ideen verbundene selbstbewusste Aufmüpfigkeit der Oltner wird von der solothurnischen Obrigkeit, in deren Pfandherrschaft die Stadt nach den beiden verheerenden Stadtbränden von 1411 und 1422 geraten ist, von allem Anfang an mit eher verhaltener Freude betrachtet. Sie ist vermutlich auch wesentlich mit ein Anlass dazu, dass Solothurn schon früh versucht hat, die Stadt in entscheidenden Fragen, etwa in denjenigen Rechten zu beschneiden, die ihr eine gewisse korporative Selbständigkeit sicherten.
So verliert Olten, nachdem es 1426 solothurnische Pfandherrschaft geraten ist, schon 1442 das Recht über das Blut zu richten, und 1453 das Schultheissenwahlrecht. Diese als Bevormundung empfundene Haltung der Regierung schürt in Olten den Widerspruchsgeist. Schon 1583 droht die Regierung deshalb den Oltnern, wenn sie sich nicht hielten, wie es sich gehöre, werde ihnen die Obrigkeit „ein loch durch ihre fryheit stechen“. Diese oft fast beleidigtend herablassende, junkerhafte Ton mag mit dazu beigetragen haben, dass die Oltner sich von Solothurn immer wieder stiefmütterlich behandelt vorgekommen sind.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehen sich Olten und die unteren Vogteien über lange Zeit auf sich selbst gestellt. Wohl aus Furcht, berufsständische Organisationen könnten, wie in Zürich oder Basel, zu Konkurrenten des Patriziates werden, verschleppt die Regierung Gesuche der Handwerker, die sich in Zünften zu organisieren gedenken oft über Jahrzehnte hinweg.
Dieses eigenartige „Desinteresse“ an der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung unserer Stadt hat sicher auch die Stellung derer gestärkt, welche die Herrschaft Solothurns als Joch empfunden und den alten freiheitlichen Zeiten unter Basel nachgetrauert haben. So führten etwa die Schützen noch 1613 – fast 100 Jahre nachdem Olten in solothurnischen Besitz übergegangen war – bei ihren Anlässen ein Fähnlein mit sich, das immer noch den Baselstab als Stadtwappen zeigte! Auch dass die Oltner 1592 ein Burgerbuch anlegen, um in Zukunft verhindern zu können, dass ihnen die Obrigkeit abermals missliebige Bürger aufzwinge, ist wohl als eine solche Trotzreaktion zu werten.
Olten, Untertanenstadt
Damit, dass die Oltner anno 1653 im Bauernkrieg den „Huttwiler-Brief“ der aufständischen Bauern mit dem offiziellen Siegel der Stadt Olten mitbesiegeln, überspannen sie dann freilich den Bogen. Dieser offenkundig feindselige Akt kostet der Stadt denn auch nach der Niederschlagung des Aufstandes das Stadtrecht!
Bis zum Franzoseneinfall bleibt Olten so politisch und rechtlich fast völlig von Solothurn abhängig. Wirtschaftlich und kulturell allerdings führt Olten auch in dieser Zeit ein erstaunlich eigenständiges Leben. So entwickelt sich Olten im achtzehnten Jahrhundert zu einem eigentlichen Zentrum des Strumpfer- und Weberhandwerks. Um 1780 verlegt sogar die helvetische Gesellschaft ihre Tagungen nach Olten. Hier treffen sich nun alljährlich die Vertreter der geistigen Elite unseres Landes.
Die Oltner „Patrioten“ allerdings begeistern sich mehr für „Liberté, Fraternité, Egalité“, für das also, was die Französische Revolution auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Der Schritt in die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit
Es erstaunt denn aus dieser Sicht auch kaum, dass alle Bestrebungen zum Sturz des alten Patrizierregimes im ausgehenden 18. und im frühen 19. Jahrhundert eigentlich von Oltnern angezettelt worden sind und dass es in der auf die Franzosenzeit folgenden Zeit in erster Linie Oltner sind, die sich bemühen, der „Volkssouveränität“ zum Durchbruch zu verhelfen. Dem politischen Geschick dieser Leute ist es wohl auch zur Hauptsache zuzuschreiben, dass Olten bereits 1817 als erste Gemeinde des Kantons ein Organisationsstatut erhält, das der Stadt den Weg in eine weitgehende korporative Eigenständigkeit wieder öffnet.
Die tiefgreifenden politischen und konfessionellen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts, der Sieg der Ideen der Aufklärung, der Sturz des Patriziates, die Ausrufung der Volkssouveränität, die mit dem Aufkommen der Eisenbahn verbundenen neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten, der Kulturkampf und das mit der zunehmenden Industrialisierung der Stadt verbundene, fast explosionartige Wachstum des Städtchens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machen Olten, nicht zuletzt auch dank der „Blutauffrischung“ durch zugewanderte Neubürger, zu einer selbstbewussten Kleinstadt der Pioniere. Zu einem Städtchen von rund 7000 Seelen, dessen Stadtväter sich aus einem unerschütterlichen Fortschrittsglauben heraus daran machen, innert weniger Jahre die gewaltigen Infrastrukturprobleme zu lösen, denen man bisher keine oder zuwenig Beachtung geschenkt hat, und die nun brennender denn je geworden sind: Trinkwasserversorgung, Strassen- und Schulbauten, Einführung der elektrischen Strassenbeleuchtung, Kanalisation, Müllabfuhr, Gasversorgung, Schlachthof, Friedhoffrage, Reorganisation der städtischen Verwaltung usw., usw. heissen damals die Stichwörter. Über all diesen handfesten Problemen bleibt man aber auch für kulturelle Belange offen. Nicht nur die Stadtbibliothek, auch die städtischen Museen werden in dieser problembeladenen Zeit zu kommunalen Einrichtungen.
Olten um die Wende zum 20. Jahrhundert
Aus der Nähe betrachtet freilich ist Olten um die Wende zum 20. Jahrhundert noch immer ein richtiges Provinznest, wo fast jeder fast jeden kennt, ein Städtchen, das die Biedermeierzeit nur knapp überstanden zu haben scheint. Mit Bürgern, die sich – meist zwar fein säuberlich nach Parteien und Herkunft getrennt – in Ortsvereinen jeder Färbung treffen und kaum eine Festgelegenheit ungenutzt lassen.
Auch wirtschaftlich tut sich einiges. Neben den Hauptwerkstätten der Centralbahn und zahlreichen bereits ansässigen, namhaften privatwirtschaftlichen Betrieben wie von Roll, Giroud, Strub & Glutz und Sunlight lassen sich in Olten auch neue, erfolgversprechende Unternehmen nieder: Nussbaum & Cie 1903, Berna 1904, Usego 1907, Nago 1910 usw. Dann bricht der erste Weltkrieg aus. Olten wird Garnisonsstadt. Das Bifangschulhaus wird Etappen-Sanitätsanstalt, der Josefssaal neben der St. Martinskirche Lager für Notvorräte und offensichtlich auch ein Schlaraffenland für „Kirchenmäuse“, die sogar vor den Lederbälgen der neuen St. Martinsorgel nicht Halt machen!
Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg
Die Zeit zwischen den beiden Kriegen bringt neben dem Einbruch der Wirtschaft und den Notstandsmassnahmen zur Bekämpfung der grassierenden Arbeitslosigkeit eine Neubesinnung und Neuorientierung. Als äusseres Zeichen soll Olten 1929 auf dem „Hübeli“ ein richtiges Stadthaus erhalten, ein Verwaltungszentrum von beeindruckenden Ausmassen. Auf der rechten Aareseite setzt die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde im gleichen Jahr mit der Friedenskirche ein unübersehbares Zeichen ihrer starken Präsenz im Aarestädtchen. Olten profiliert sich als Tagungs- und Festort. Immer wieder finden hier kantonale, ja sogar eidgenössische Feste statt. Am 20. Mai 1934 hat Olten sogar die eher zweifelhafte Ehre, Versammlungsort der „nationalen Front“ zu sein, die mit rund 1500 Teilnehmern im Aarestädtchen aufmarschiert.
Auch sportlich tut sich etwas in dieser Zeit: Schon 1924 wird durch den Veloklub Säli der erste Radsporttag durchgeführt. Ab 1931 finden im Industriequartier regelmässig Motorradrennen mit internationaler Beteiligung statt. Im gleichen Jahr wird in Olten unter der Führung von Lehrer Iwan Hagmann der Eislaufclub gegründet und auf dessen Betriebe schliesslich 1934 die erste richtige Eisbahn im Kleinholz eröffnet. Einen wichtigen Schritt bedeutet auch der Bau der neuen Badeanstalt in der Schützenmatt anno 1938.
Dann bringt der Zweite Weltkrieg einen neuerlichen Einbruch. Die wehrfähigen Männer leisten Aktivdienst. Die Alte Garde und Frauengruppen aller Schattierungen sichern den geordneten Weiterbestand des Gemeinwesens. Die Ortswehr übt den Ernstfall, vor dem wir Gott sei Dank verschont geblieben sind. Gegen Kriegsende tauchen fremde Gesichter in Olten auf: Internierte aus aller Herren Länder. In Februar 1945 überfliegt ein führungsloser amerikanischer Bomber (die Besatzung ist über Zofingen abgesprungen) die Stadt im Tiefflug und zerstellt schliesslich ausserhalb des „Isebähnli“ in Trimbach.
Grossstadtpläne
Es folgt die Zeit des „Wirtschaftswunders“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist, als ob die Welt tief Atem holte. Wachstum und noch einmal Wachstum heisst jetzt die Devise. Eine Zeit wirtschaftlicher Prosperität bricht an. Erste Verkehrsprobleme zeichnen sich ab. Olten erhält eine neue Bahnhofbrücke und entwickelt städteplanerische Visionen. Die Stadt soll ein regionales Zentrum werden. Sichtbares Zeichen: das neue Stadthaus, das 1965 bezogen und am 30. April 1966 eingeweiht wird.
Eine Waldstadt am Born, das Basisdreieck, die Überregion Arolfingen (Aarau-Olten-Zofingen), das GIZ (Gewerbe- und Industriezentrum) im Gheid, Olten, ein schweizerisches Sportzentrum heissen jetzt die Themen, die heiss in der Presse diskutiert werden. Der Baukrebs wütet. Ganze Strassenzüge fallen der Spitzhacke zum Opfer. Zur gleichen Zeit setzt die „Verwarenhausisierung“ unserer Stadt ein: EPA 1970, Jelmoli von Felbert 1970/71, Migros und ABM 1971, Coop-City 1973 und Nordmann (Manor) 1977 decken schliesslich mehr als alle Bedürfnisse ab.
Die Rezession und ihre Überwindung
Die Rezession von 1974 bringt dann eine riesige Ernüchterung. Die Vision verfliegen, verpufft ist der Elan. Eine „Rette-sich-wer-kann-Mentalität“ macht sich breit. Zahllose Betriebe geben auf, wandern ab, eine grössere Arbeitslosigkeit kann nur knapp vermieden werden. Wir „exportieren“ sie in die Länder, aus denen unsere Saisonniers stammen. Erstmals geht Oltens Bevölkerung massiv zurück: von 21'478 Einwohnern anno 1968 auf 18'022 im Jahre 1990!
Die beginnende Globalisierung der Wirtschaft fordert ihre Opfer. Die Kleinen, die es den Grossen gleich tun wollen, gehen unter. Mit dem Fall der 1828 gegründeten zinstragenden Ersparniskasse hat auch Olten 1992 seinen Bankskandal, der sogar die einst so stolze Bürgergemeinde bis in ihre Grundfesten erschüttert. Gleichzeitig aber vollzieht sich eine eindrückliche Verlagerung der wirtschaftlichen Schwergewichte. Olten wird immer eindeutiger zum Dienstleistungszentrum. Ein beeindruckender Aufmarsch von Banken und anderen Dienstleistungsbetrieben setzt ein.
Andere positive Tendenzen zeichnen sich ab: Der Hauptbahnhof wird den Anforderungen der „Bahn 2000“, wenigstens was die Fahrstrassen betrifft, angepasst. Olten, seit 1986 „Wirtschaftspol“ des Kantons Solothurn, scheint wie schon im frühen 19. Jahrhundert wieder begriffen zu haben, dass neben Verbindungen und Beziehungen aller Art in einem Dienstleistungszentrum auch den Schulen hervorragende Bedeutung zukommt, und dass Entwicklung immer auch Vorleistungen bedingt. Die Diskussion zur Lösung der anstehenden, immer dringender werdenden Verkehrsprobleme wird wieder aufgenommen.
Foto: Andreas Keller, Olten 1841. Diese betreffend Farbgebung und Komposition wohl schönste alte Stadtansicht zeigt Olten kurz vor dem Beginn des „Eisenbahnzeitalters“ und der damit verbundenen Industrialisierung.