Am 05.04.2017 reichten Doris Känzig (SVP) und Mitunterzeichnende folgenden Vorstoss ein:
„Der Stadtrat wird gebeten, dem Parlament einen Massnahmenkatalog zu unterbreiten, welcher die Sicherheit im Gebiet des Ländiwegs baldmöglichst gewährleistet.
Begründung:
Bereits in diversen Vorstössen verschiedener Parteien, die im Parlament vertreten sind, wurde verlangt, das Problemkind Ländiweg anzugehen. Das Hauptargument, der «Neue Bahnhofplatz» würde die Problemzone beheben, wurde stets vom Stadtrat als Antwort genannt. Die kürzlichen medienwirksamen Ereignisse (gar nationale Medien berichteten) am Ländiweg zeigen auf, dass nicht auf den neuen Bahnhofplatz gewartet werden kann.
Das Postulat von Christian Werner (SVP) Ende 2012 «Mehr Sicherheit im öffentlichen Raum», wobei eine Kameraüberwachung am Ländiweg (und weiteren, problematischen Zonen) gefordert wurde, schrieb das Parlament mit 25 zu 15 Stimmen ab. Womöglich ist man in der Zwischenzeit zur Einsicht gekommen, dass Videoüberwachung als eine von möglichen Massnahmen am Ländiweg Sinn machen kann (zumindest bis das Projekt «Neuer Bahnhof-platz» umgesetzt ist), um Wahrscheinlichkeit zu schaffen, Delinquenten identifizieren zu können. Auch vermehrte Polizeikontrollen sollen vom Stadtrat geprüft werden.“
* * *
Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadträtin Marion Rauber die Motion wie folgt:
Der Stadtrat von Olten beschloss an seiner Sitzung vom 06.03.2017, eine Arbeitsgruppe zum Thema Sicherheit im öffentlichen Raum einzusetzen. Mit der Leitung beauftragte der Stadtrat den Verwaltungsleiter der Sozialdirektion. Die Arbeitsgruppe wurde wie folgt zusammengestellt:
- Franco Giori, Ordnung und Sicherheit
- Hans Peter Müller, Direktion Soziales, Verwaltungsleiter
- Marc Bumann, KAPO
- Natalie Spalding, Direktion Soziales, Leiterin Sozialamt
- Patrizia Twellmann, Suchthilfe Ost GmbH, Abteilungsleiterin Stadtküche und «Kontakt und Anlaufstelle»
- Urs Kissling, Direktion Bau, Leiter Tiefbau
Die erste Sitzung der Arbeitsgruppe fand am 24.04.2017 statt.
Die Arbeitsgruppe teilte ihre Ergebnisse dem Stadtrat mit (Zwischenbericht vom 24.04.2017):
Die folgende Massnahme wird von der Suchtberatung Ost GmbH bereits im Rahmen des eigenen Tätigkeitsfeldes aufgebaut und voraussichtlich realisiert:
- Kontakt- und Anlaufstelle: Das Angebot bietet Suchtklienten alternative Aufenthalts- und Konsummöglichkeiten (harte Drogen). Sie halten sich somit weniger am Ländiweg auf.
Folgende Massnahmen wurden (von der Arbeitsgruppe) als wirksam und rasch umsetzbar eingeschätzt:
- Videoüberwachung: Das Hauptbedürfnis der Bevölkerung, die subjektive Sicherheit, wird berücksichtigt. Vorfälle können der KAPO gemeldet werden. Die KAPO kann Täter sofort eruieren und zur Verantwortung ziehen. Sinnvollerweise wird auch die Verbesserung der Videoüberwachung in der Winkelunterführung geprüft. Auch die Holzbrücke sollte einbezogen werden.
- Verlängerte Öffnungszeiten der Stadtküche: Das Angebot bietet Klienten der Suchthilfe alternative Aufenthalts- und Konsummöglichkeiten. Sie halten sich somit weniger am Ländiweg auf.
Folgende Massnahmen wurden (von der Arbeitsgruppe) als wirksam und mittel- bis längerfristig realisierbar eingeschätzt. Sie können umgesetzt werden, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist und die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen:
- Aufsuchende Sozialarbeit (SIP: Sicherheit, Intervention, Prävention): Mit aufsuchen-der Sozialarbeit können Personen an verschiedenen Orten erreicht werden. Es gibt weniger Nischen und unkontrollierte Räume.
- Bauliche Massnahmen: Z.B. Bauliche Verbreiterung, Treppen zum Hang, Sitzplätze, Abfallbehälter, etc. würden für die Situation am Ländiweg zusätzlich entschärfen. Die Massnahmen sollten aber nicht Fremdkörper und Flickwerke sein, welche die gesamtstädtische Planung stören.
- Raum und Angebote für Jugendliche: Alternative Freizeit- und Aufenthaltsangebote für Jugendliche würden die Situation am Ländiweg entschärfen.
Die Arbeitsgruppe gab folgende Empfehlungen ab:
- Prüfen Bericht und Antrag an Stadtrat und Gemeindeparlament zur Sicherstellung der Videoüberwachung am Ländiweg (Direktion Bau);
- Prüfen Bericht und Antrag an Stadtrat und Gemeindeparlament zum Abschluss einer Leistungsvereinbarung mit der Suchthilfe Ost GmbH zur Erweiterung der Öffnungszeiten der Stadtküche am Wochenende;
- Entscheid Stadtrat, ob weitere Arbeitsaufträge zum Prüfen von Massnahmen erteilt werden sollen.
Der Stadtrat erteilte an seiner Sitzung vom 01.05.2017 folgende Aufträge:
- Direktion Bau: Erarbeitung von Grundlagen für einen Entscheid bezüglich Videoüberwachung;
- Direktion Soziales: Erarbeitung von Grundlagen für die Erweiterung der Öffnungszeiten der Stadtküche;
- Direktion Soziales: Abklärung von Möglichkeiten aufsuchender Sozialarbeit;
- Arbeitsgruppe: Prüfen der Möglichkeit einer Platzordnung mit Alkoholverbot.
Am 16.05.2017 informiert die Arbeitsgruppe den Stadtrat über den aktuellen Stand der Abklärungen (Zwischenbericht vom 16.05.2017):
Videoüberwachung (Zuständigkeit Direktion Bau)
Die Uferparzelle Grundbuch Olten Nummer (GB Olten Nr.) 3300 gehört der Stadt Olten. Der Ländiweg als Bauwerk gehört ebenfalls der Stadt Olten, liegt aber auf der öffentlichen Flussparzelle Nr. 90357, welche vom Kanton verwaltet wird. Bezüglich Videoüberwachung, für den Ländiweg und die Alte Brücke, sollten Ende Monat Ideen und Kosten bereit sein. Die Winkelunterführung wurde bereits erneuert und entspricht dem neuesten Stand der Technik (2016) und braucht keine Ergänzungen (gemäss Auskunft Kapo Solothurn).
Öffnungszeiten Stadtküche (Zuständigkeit Direktion Soziales)
Die Suchthilfe Ost GmbH (SHO) ist grundsätzlich dazu bereit, die Öffnungszeiten auszuweiten. Die Öffnung während 7 Tagen in der Woche hätte Kostenfolgen von voraussichtlich CHF 120'000. Die Sozialdirektion hat die SHO gebeten, Offerten für 3 Varianten auszuarbeiten:
- Öffnung während 7 Tagen in der Woche
- Zusätzlich zu den bisherigen Zeiten Öffnung am Wochenende
- Sinnvolle Zwischenvariante.
Bis wann eine Offerte eingereicht werden kann, wird die SHO noch mitteilen. Die SHO möchte eine Leistungsvereinbarung für mindestens 5 Jahre.
Aufsuchende Sozialarbeit (Zuständigkeit Direktion Soziales)
Die Suchthilfe Ost GmbH (SHO) will das neue Tätigkeitsfeld nicht selber aufbauen.
Platzordnung mit Alkoholverbot (Zuständigkeit Arbeitsgruppe)
Der Kantonspolizei sind aus eigener beruflicher Tätigkeit (u.a. in Zürich, Olten, Kanton SO) keine solchen Verbote bekannt. Es würde sich um eine Kollektivstrafe gegenüber allen Personen handeln. Ein Verbot müsste durchgesetzt werden. Dies kann nur von der Polizei mit entsprechendem Mehraufwand bewältigt werden. Aktuell ist die Polizei täglich am Ländiweg und am Bahnhof, führt viele Kontrollen durch, reicht Anzeigen ein und verfügt Wegweisungen. Sinnvollerweise wäre zuerst zu analysieren, wie die verschiedenen Szenen auf die vermehrten Kontrollen reagieren und wie sich das Verhalten der Besucher des Ländiwegs ändert. Eine Platzordnung würde eher ignoriert, ähnlich wie das Verbot, Betäubungsmittel zu konsumieren. Der Raum Ländiweg hat sich in den letzten Jahren zu einem Aufenthaltsort mit ver-änderter räumlicher Nutzung entwickelt. Die polizeilichen Massnahmen sind weitgehend aus-geschöpft und für eine nachhaltige Entschärfung des Brennpunktes Ländiweg müssten letztlich bauliche Massnahmen eingeleitet und umgesetzt werden.
Verbote in diesem Bereich führen nach Erfahrung der Suchthilfe Ost GmbH (SHO) selten zum gewünschten Ziel. Betroffene nehmen Kontrolle und Verbote auch als Provokation wahr und reagieren mit verstärkter Präsenz. Ein Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen von 00.30 Uhr bis 07.00 Uhr wurde in Chur 2008 erlassen, wird jetzt aber wieder aufgehoben. Die gewünschte Wirkung konnte damit nicht erzielt werden.
Die damalige Direktion Öffentliche Sicherheit hatte bereits im Januar 2016 das Thema auf-gegriffen und als Gesprächsthema in den Stadtrat gebracht (Walk of Kirchgasse und Ländiweg). U.a. wurde die Möglichkeit freiwilliger ziviler Patrouillen am Ländiweg und auf der Kirchgasse geprüft. Aufgrund fehlender Sanktionsmöglichkeiten wurde dieser Ansatz aber verworfen. Platzordnungen im Raum Olten und Umgebung gibt es für Spiel-, Zelt-, Tennis- oder Campingplätze. Auch für Schulhäuser bestehen Belegungsordnungen. Die Stadt Olten kennt für Schulanlagen und Parkanlagen Platzordnungen und richterliche Verfügungen. Die damalige Direktion Öffentliche Sicherheit wies ausdrücklich darauf hin, dass der Ländiweg für die aktuelle Nutzung durch verschiedene Personen zu wenig breit ist. Der Ländiweg ist als Durchgangsweg ausgestaltet, wird aber mittlerweile Aufenthaltsraum an der Aare genutzt.
Das Sozialamt wies insbesondere auf die Notwendigkeit der Durchsetzung einer allenfalls erlassenen Ordnung hin. Jede Ordnung, die nicht konsequent durchgesetzt wird oder durchsetzbar ist, wird sehr bald von den Platznutzenden «ausgehebelt». Sollte ein Alkoholverbot mittels Platzordnung eingeführt werden, stellt sich unweigerlich die Frage nach einem ent-sprechenden Ordnungsdienst, der hierfür entsprechende Kompetenzen erhält, um die Polizei zu entlasten.
Der Rechtsdienst wies darauf hin, Städte hätten diesen Bereich selber zu regeln. Gesetzliche Grundlage ist Art. 7 Abs. 2 des Reglements über die gemeindepolizeilichen Aufgaben der Stadt Olten vom (SRO 212). Bei einer Platzordnung stellt sich die Frage der Wirkung. Eine Platzordnung (z.B. Alkoholverbot) müsste konsequent durchgesetzt werden.
Fazit und Empfehlung der Arbeitsgruppe:
1. Vorerst die Polizei ihre Arbeit machen lassen und nach der Sommersaison die Erfahrungen auswerten;
2. Kurzfristig realisierbare Projekte vorantreiben (Videoüberwachung, Öffnungszeiten Stadtküche);
3. Situation periodisch überprüfen und auswerten;
4. Mittel- und langfristig realisierbare Projekte (u.a. bauliche Massnahmen) planen, prüfen und umsetzen.
Am 21.09.2017 traf sich die Arbeitsgruppe zu einer Standortsitzung und berichtete dem Stadtrat wie folgt:
Rückmeldungen aus Sicht der verschiedenen Dienste:
Die Kantonspolizei hat am Ländiweg konsequent durchgegriffen und für Ordnung gesorgt. Auswärtige Personen, die sich gesetzeswidrig oder anstössig verhielten, wurden aus Olten weggewiesen, solche mit Wohnsitz in Olten vom Ländiweg. Der Aufwand für die Kantonspolizei war hoch, die Wirkung auch. Am Ländiweg ist die Situation unter Kontrolle.
Aus Sicht der Abteilung Ordnung und Sicherheit ist der Einsatz der Kantonspolizei zu würdigen. Für Sicherheit (am Ländiweg) ist gesorgt worden, die lokale Szene hat sich verlagert. Am Ländiweg und in der Stadt (z.B. bei der Stadtkirche) handle es sich nicht um die gleichen Personen. Es brauche deshalb auch unterschiedliche und differenzierte Massnahmen.
Die Suchthilfe Ost GmbH hat der Sozialdirektion Offerten für verlängerte Öffnungszeiten der Stadtküche und der neuen Kontakt- und Anlaufstelle zukommen lassen. Aufsuchende Sozialarbeit (SIP) wird die SHO nicht anbieten.
Die Direktion Bau hat den Einsatz von Videoüberwachung geprüft. Eine Kamera könnte vom Amtshausquai aus der Kantonspolizei eine Gesamtübersicht übermitteln, vor Ort könnten Kameras mit Gesichtserkennungsfunktionalität eingesetzt werden. Die Offerte zur Videoüberwachung liege noch nicht vor. Die Kostenabklärungen, u.a. für die Leitungsführungen im Untergrund, seien noch nicht abgeschlossen. Der erste Entwurf eines Reglements zur Videoüberwachung liege vor (Rechtskonsulent).
Die Direktion Soziales hat die Offerten der Suchthilfe Ost GmbH erhalten. Mit der SIP Langental haben Gespräche stattgefunden. Die SIP Langental wäre dazu bereit, vor Ort eine Bedarfsanalyse durchzuführen, beim Aufbau einer SIP zu helfen oder dies selber anzubieten.
Rückmeldungen zu den einzelnen Massnahmen:
Die Videoüberwachung kann technisch installiert werden, unabhängig davon, ob der Ländiweg 2018 oder erst 2019 baulich verändert wird. Videoüberwachung am Ländiweg ist aus polizeilicher Sicht sinnvoll und wünschenswert, da sich diese bei der Ermittlung von Straftätern und des Tatherganges als wirksames und effizientes Mittel empfiehlt. Ermittelte Täter können ausserdem, z.B. bei Sachbeschädigungen, auch zivilrechtlich für den von ihnen verursachten Schaden zur Rechenschaft gezogen werden. Die Aufhebung der Anonymität im Wissen um die Videoüberwachung wirkt weiter präventiv und kann potentielle Täter davon abhalten, eine Straftat zu begehen. Die Opfer dürfen nicht vergessen werden. Videoüberwachung ist aus polizeilicher Sicht deshalb bei Personen und Personengruppen sinnvoll, die sich in Bahnhofsnähe bilden und agieren und in deren Umfeld es zu strafrechtlich erheblich relevanten Vorfällen kommt. Bei Personen, welche der Polytoxikomanenszene zuzurechnen sind und sich an neuen Plätzen treffen, aktuell u.a. bei der Stadtkirche, steht weniger die Sicherheit als das Erscheinungsbild (Image der Stadt Olten) im Vordergrund. Die Kosten werden in der Grössenordnung von CHF 100'000 liegen. Da bei Schäden die Täterschaft ermittelt wer-den kann, können Täter auch zur Rechenschaft gezogen werden. Für die Umsetzung werden zwei Offerten eingeholt: Ländiweg und Holzbrücke separat.
Stadtküche, Kontakt- und Anlaufstelle: Diese Angebote stehen Personen mit Wohnsitz in der Region offen. Das Angebot wird grundsätzlich als sinnvoll erachtet. Die Erweiterung der Öffnungszeiten auf Feiertage und Wochenenden wäre wünschenswert. Dabei steht das Angebot der Stadtküche im Vordergrund. Allerdings wollen Betroffene zumindest in der wärmeren Jahreszeit draussen sein. Am liebsten würden sie selber einen Platz für sich bestimmen.
Aufsuchende Sozialarbeit SIP wird als sinnvoll erachtet. Durch das Aufsuchen Betroffener, das Gespräch mit diesen, aber auch durch Hinweise auf Ordnung und Sauberkeit bis zum Beizug der Polizei wird Wirkung erzielt. SIP wäre nur in bestimmten Zeitfenstern aktiv. Arbeitspensen wären eher tief und saisonal. Eine Herausforderung wäre, geeignetes Personal mit entsprechender Flexibilität und mit Ausbildungen im sozialen Bereich und im Bereich Si-cherheit.
Weiteres Vorgehen:
Die Direktionen Bau und Soziales werden dem Stadtrat Berichte und Anträge zu den Themen Videoüberwachung und SIP einreichen. Was die erweiterten Öffnungszeiten der Stadtküche angeht, ist der Stadtrat hingegen der Meinung, dass deren Wirkung fraglich sei, da die Stadtküche gerade im Sommer sicherlich kein Anziehungspunkt wäre.
Stadtrat und allenfalls Gemeindeparlament werden über die Massnahmen entscheiden.
Im Sinne der oben aufgeführten Erwägungen und der geplanten Vorlagen, die den Anliegen der Motionärin weitgehend entsprechen, empfiehlt der Stadtrat dem Parlament, die Motion als erheblich zu erklären.